Mit Lesehund und Textknackern zum Lesepreis?

von Mike Burkhardt

Deutscher Lesepreis: IGS Geismar und IGS Bovenden für besondere Lernangebote nominiert

Bovenden/Geismar. Wenn sich Schülerinnen und Schüler der 13. und 6. Klasse freiwillig zusammensetzen, dann muss etwas Besonderes im Gange sein. Aber genau das passiert jeden Mittwoch an der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule (IGS Geismar) in Göttingen. Dann wird gemeinsam gelesen – das hat der Schule eine Nominierung für den Deutschen Lesepreis eingebracht, ebenso wie der IGS Bovenden. Der Preis der Stiftung Lesen und der Commerzbank-Stiftung zeichnet herausragende Leseförderungs-Angebote an deutschen Schulen aus.

Hannah Sommer und Lara suchen Wörter. Während an anderen Tischen schon Bücher aufgeklappt werden, fahnden die Sechst- und die Dreizehntklässlerin in einem Buchstabensalat nach Vokabeln, die etwas mit Regenbögen zu tun haben. Denn bei der Leseförderung an der IGS Geismar soll es eben nicht nur darum gehen, Bücher zu wälzen. Hier lernen alle Beteiligten etwas: Die Kinder üben Lesen, die jungen Erwachsenen üben, mit Kindern umzugehen, und sie sammeln Erkenntnisse für ihre Seminararbeit. Und mittendrin lernen die Lehrerinnen Christina Jahreis und Hanne Hohmeister etwas darüber, wie sie das Lernen an ihrer Schule noch besser gestalten können.

Von Trainern und Sportlern

„Ich hatte in der 5. und 6. Klasse selbst nicht viel Spaß am Lesen“, sagt Hannah. Damals habe es solche Angebote wie jetzt noch nicht gegeben, erinnert sie sich. Mit ihrem Engagement als „Trainerin“ für ihre kleine „Sportlerin“ Lara könne sie jetzt etwas zurückgeben. Lara gefällt das: „Es macht mir jetzt mehr Spaß“, sagt sie.

Spaß, das wäre für Jonas ein bisschen zu hoch gegriffen. So richtig Spaß mache ihm Lesen immer noch nicht, sagt er. Und doch: Zusammen mit Sorina Herden zu lesen, hat ihn schon gewaltig vorangebracht. Die Oberstufenschülerin mit Leistungskurs Deutsch zeigt eine Grafik auf ihrem Tablet: Als beide einander als „Trainerin“ und „Sportler“ zugelost wurden, las Jonas etwa 60 Wörter pro Minute. Mittlerweile sind es an vielen Tagen fast 120, das erfüllt die Definition von flüssigem Lesen.

Eigentlich sollten Kinder das nach der 4. Klasse beherrschen. Aber viele tun es eben nicht. Es seien zuletzt immerhin nicht mehr geworden, sagt Jahreis. Statistiken zufolge ist dennoch jedes vierte Kind betroffen. Wer an der IGS Geismar in einem standardisierten Test einen bestimmten Wert verfehlt, kommt deshalb in die Leseförderung, während die übrigen Kinder andere Aufgaben üben. Und während die Jüngeren so zu ihren Jahrgängen aufschließen, können die Älteren untersuchen, ob Lesen auf dem Tablet andere Lernerfolge bringt als im Buch, wie sich Jungen und Mädchen beim Lesenlernen unterscheiden und vieles mehr. „Wir sind immer wieder erstaunt, auf welche Ideen sie kommen“, berichtet Jahreis stolz.

Tierisch ist das Lesenlernen indes an der IGS Bovenden. Ein Lesehund ist einer von vielen individuellen Lernhelfern, die die Lehrerinnen und Lehrer aus Eigeninitiative an der Schule vorstellen. Dem Tier vorzulesen, soll den Kindern helfen, die Hemmschwelle für lautes Vorlesen zu überwinden.

Lesen im Chor oder der „Textknacker“ sind zwei weitere Lesemethoden, mit der Lehrerin und Sonderpädagogin Katrin Ritzmann ihren Schülern und Schülerinnen der 7. Klasse das Lesen in einer 30-minütigen Schulstunde beibringt. Die verschiedenen Schritte reichen von Bilder anschauen, über Überschriften lesen und den Text gemeinsam laut vorlesen bis zum Bilder malen oder eigene Zeitungsartikel schreiben. Damit sollen die Jugendlichen in der neu integrierten Lesestunde Texte flüssiger lesen und besser verstehen können.

Lesen lernen in Bio und Chemie

Das hilft. Die Schülerinnen und Schüler sagen, dass sie sich den Text durch mehrmals lesen gut merken und verstehen können. Für diejenigen, die eine besondere Förderung benötigen, ist Pädagoge Sascha Bocchino da. „Wir haben Kinder, die konnten zu Beginn des Schuljahres gar nicht lesen. Jetzt schaffen sie es schon, einen ganzen Text selbst zu lesen“, so Bocchino.

Die Methode des Textknackers werde auch in der Oberstufe angewendet, so Fachbereichsleiter Lars Held. Das Ziel: Den Schülern soll auch das Lesen von Fachtexten leichter fallen. Daher streben Ritzmann und Held, die kompetenzübergreifend zusammenarbeiten, eine Transferleistung an, mit der nicht nur im Deutschunterricht, sondern auch in den Naturwissenschaften das Lesen geübt wird. „Die Leseübungen finden ganzheitlich statt, von der 5. bis zur 13. Klasse“, berichtet Schuldirektor Florian Dinger begeistert.

Ob ihre Projekte der IGS Geismar und der IGS Bovenden einen Preis einbringen, wird sich im Februar bei der Preisverleihung zeigen.


Quellenangabe: Göttinger Tageblatt vom 04.12.2024, Seite 17

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